Wie wenig es braucht, um Kinder in ihren Bann zu ziehen, bewies die Märchenerzählerin Erika Eichenseer sehr eindrucksvoll. Nur mit ihrer Stimme und dem Einsatz von Gestik und Mimik präsentierte sie altes – beinahe in Vergessenheit geratenes – Oberpfälzer Literaturgut. Unsere Schüler folgten ihren Erzählungen äußerst gespannt und sehr aufmerksam. Immer wieder stellten sie Fragen zu den Inhalten. Geduldig vermittelte Frau Eichenseer den Jungen und Mädchen nicht nur die Handlung der Märchen, sondern erklärte ihnen ganz nebenbei die Herkunft und Bedeutung von Redensarten, wie zum Beispiel die des Spruches „etwas auf dem Kerbholz haben“. Auch erfuhren die Schüler, dass ein „Roßzwiefel“ nicht nur im alten Ägypten eine besondere Rolle spielte, denn in unseren Breiten wurden diesem Käfer ebenso besondere Fähigkeiten nachgesagt. In Form einer Handpuppe stellte Frau Eichenseer den Roßzwiefel alias heiliger Pillendreher alias Mistkäfer alias Skarabäus vor.
Darüber hinaus ergaben sich auch Gespräche über Werte – unter anderem beim Märchen „Das dumme Weib“, bei dem eine Frau auftaucht, deren „Dummheit“ letztlich ihr und ihrem Mann zu Reichtum und einem glücklichen Leben verhilft. Auch wurden alte Bräuche und Lebensweisen erklärt. So erfuhren die Schüler, dass Handwerker auf dem Land früher von Hof zu Hof zogen und welche Rolle die Bauern dabei spielten. Das Repertoire der Märchenerzählerin umfasst auch andere Textformen wie Legenden und Sagen, deren Merkmale Frau Eichenseer mit den Schülern ebenfalls gekonnt zu besprechen wusste. Eine besondere Freude bereitete sie den Kindern, indem sie auch auf deren Wünsche einging. Sehr interessiert waren die Schüler an ihrem Buch über Gruselmärchen. Daher stellte sie auch aus diesem Werk zwei spannende, teils gruselige, teils aber auch
komische Geschichten vor. Über 500 Märchen konnte Frau Eichenseer aus dem Nachlass von Franz Xaver von Schönwerth konservieren. Einen Teil davon hat sie für Interessierte in mehreren Büchern veröffentlicht. Wer Lust bekommen hat, diesem spannenden Kulturgut näher zu kommen, kann dies unter anderem auf dem Schönwerth-Märchenpfad in Sinzing tun. Dort steht es den Besuchern frei, sich den Märchen auf eigene Faust zu nähern. Dazu braucht man nur ein Smartphone, das mit Hilfe der QR-Codes an den Stationen die vertonten Märchen zugänglich macht. Wer lieber die Märchenerzählerin in ihrem Element erleben möchte, kann dies bei Führungen durch den Märchenpfad tun. Für unsere Fünftklässler gehört der Lehrpfad sicher zur engeren Auswahl für den nächsten Klassenausflug am Wandertag.
Den Erlös für ihre Vorträge spendet Frau Eichenseer ausnahmslos der Franz Xaver von Schönwerth- Stiftung, diese finanziert von dem Geld die Errichtung weiterer Lehrpfade in unserer Region.
Monika Simm